
20 Juli Interview mit Thorben Bockelmann – ausgezeichnet mit dem FOCAL International Award 2025
Archive Producer Thorben Bockelmann wurde beim diesjährigen FOCAL Award in London für den Film „Moses – 13 Steps“ mit dem Preis für „Best Use of Footage in a Sports Production“ geehrt. Die Dokumentation erzählt die Lebensgeschichte des US-amerikanischen Ausnahmeathleten Edwin Moses, der als Hürdenläufer fast eine Dekade ungeschlagen blieb. Welches außergewöhnliche Archivmaterial er für diesen Film gefunden hat, erzählt uns GRAP-Mitglied Thorben im Interview. FOCAL International vertritt als Berufsverband in über 30 Ländern Archive und Archive Producer:innen.
Thorben, herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Auszeichnung! Was hat dich persönlich an der Geschichte von Olympiasieger Edwin Moses beeindruckt?
Edwins Karriere ist wirklich faszinierend. Gemessen an vielen heutigen Leistungssportlern ist er erst sehr spät zum Hürdenlauf gekommen. Als er das erste Mal an einem 400-Meter-Hürdenlauf teilnahm, war er fast 20 und Student am Morehouse College in Atlanta. Ein Jahr später gewann er in Montreal Gold bei den Olympischen Spielen. Er hat den Sport revolutioniert, seine eigene Lauftechnik entwickelt und stetig weiter verfeinert. Für 9 Jahre, 9 Monate und 9 Tage war er ungeschlagen und stellte damit die längste Siegesserie in der Geschichte der Leichtathletik auf.
BROADVIEW Pictures hat den Film produziert, ihr arbeitet schon viele Jahre zusammen. Warum hat sich eine deutsche Produktionsfirma der Lebensgeschichte von genau diesem US-amerikanischem Sportler angenommen?
Da kommen viele Faktoren zusammen. Ein wichtiger Punkt ist sicher, dass BROADVIEW bereits viele ausgezeichnete Sportdokus produziert hat. Es gibt also gewisse Erfahrungswerte und in der Folge von Seiten der Athleten ein Vertrauen, dass ihre Lebensgeschichte gut erzählt werden kann. In diesem Fall kam der Kontakt wohl über Dirk Nowitzki zustande, über den BROADVIEW 2015 einen Film produziert hatte. Edwin selbst hat außerdem einige seiner größten Erfolge in Deutschland gefeiert, war zweimal in Deutschland verheiratet und hat einen Sohn, der hier lebt.
Kannst du ein paar Zahlen nennen? Wie lange hast du an diesem Projekt gearbeitet, wie viele Stunden Archivmaterial gesichtet, wieviel Fotos gesammelt?Puh, das ist in Zahlen gar nicht so leicht auszudrücken. Ich bin im Frühjahr 2022 nach Atlanta zu Edwin nach Hause geflogen, im Dezember 2024 hatten wir die Premiere. Das sind fast drei Jahre und das ist auch im Vergleich zu anderen Projekten eine lange Zeit. Wie viel Archivmaterial ich im Laufe der Zeit gesichtet habe, kann ich nicht genau beziffern. Es waren in jedem Fall sehr viele Stunden. Von Edwins Familiengeschichte in den USA der 1950er Jahre mit Themen wie den „Race Riots“ bis hin zu seinem Engagement gegen Doping in der Gegenwart – in so einem spannenden Leben stecken viele Themen, die aufgearbeitet werden wollen und ihren Platz im Film finden sollen. Da kommt einiges an Filmmaterial zusammen.
Sportrechte gelten als besonders kompliziert und besonders teuer. Wie seid ihr mit dieser Herausforderung umgegangen?
Ja, Sportrechte sind oft sehr teuer und der Hürdenlauf ist da keine Ausnahme. Besonders die Rechte an den Olympischen Spielen sind in der Nutzung extrem kostspielig. Deshalb ist es wichtig, die Lizenzkosten schon vor Beginn der Produktion realistisch einzuschätzen, damit es später keine bösen Überraschungen gibt und man auch im Schnitt die Kontrolle über das Budget behält.
Gab es außergewöhnliche Archiv-Funde?
Ich war immer wieder überrascht, was für tolles Material wir in Deutschland gefunden haben. Das ZDF hat zum Beispiel 1983 ein großes Porträt über Edwin gedreht, da waren viele großartige Bilder dabei. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Szene, in der Edwin mit seiner damaligen Frau Myrella am Strand auf Pferden reitet. Aber auch der Lauf in Madrid, bei dem Edwins Siegesserie nach fast zehn Jahren zu Ende ging, war beeindruckend hochwertig gefilmt und es gab deutlich mehr Material, als wir ursprünglich erwartet hatten.

Gibt es eine Archiv-Szene, die dir besonders viel bedeutet?
Es gibt wunderschönes 35-mm-Filmmaterial von den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984. Edwin gewann damals Gold. Dieses Material ist grundsätzlich nicht für die Lizenzierung freigegeben. Durch viel gutes Zureden und dank unserer Kontakte in die USA und zum Internationale Olympische Komitee haben wir aber eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Für mich ist das ganz klar das visuelle Highlight des Films.
Du hast Edwin Moses persönlich besucht. Kannst du uns mehr über die Zusammenarbeit mit ihm erzählen?
Edwin war von vornherein offen für eine enge Zusammenarbeit. 2022 bin ich gemeinsam mit dem Drehbuchautor Markus Brauckmann zu ihm nach Atlanta geflogen. Dort sind wir zusammen durch sein Familienarchiv gegangen, haben 8-mm-Filme und Fotos digitalisiert und sogar einen ganzen Koffer voller Filmkassetten mit nach Deutschland gebracht. Darunter waren echte Schätze: Familienfilme, Fotos von Edwin am Morehouse College, Aufzeichnungen seiner Trainingszeiten und vieles mehr. So ein persönliches Archiv ist immer ein Glücksfall und ein großer Gewinn für jede Doku, weil es den Menschen hinter dem öffentlichen Bild sichtbar macht.
Das klingt nach einer tollen Kollaboration und ist sicher einer der Gründe, warum das Archiv im Film so besonders ist. Was bedeutet dir der Gewinn des FOCAL-Awards?
Es freut mich sehr, dass die Jury den Film ausgezeichnet hat. Die Konkurrenz war stark und hätte die Auszeichnung genauso verdient. Für mich hat dieser Preis einen besonderen Wert, weil er die Archivarbeit sichtbar macht. Oft bleibt dieser Teil der Produktion im Hintergrund, dabei ist er entscheidend dafür, wie stark ein Film wirkt. Dass der FOCAL Award genau das würdigt, macht mich stolz. Für mich ist das nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch ein sehr persönlicher Abschluss eines langen und intensiven Projekts. Es steckt unglaublich viel Herzblut in dem Film und es ist schön, wenn das gesehen wird.

Wo kann man den Film „Moses – 13 Steps“ derzeit ansehen?
Im Dezember 2024 hatten wir das offizielle Kinorelease. Die weitere Auswertung ist derzeit in Planung. Auch wenn ich aktuell noch keine genauen Details nennen kann, kann ich schon verraten, dass es in absehbarer Zeit eine Ausstrahlung im deutschen Fernsehen geben wird.